Gesundheit ist ein Menschenrecht

Vortrag | Sa. 9:30 | Prof. Gerhard Trabert


Die drastische Auswirkung von Armut auf die Gesundheit und die Entstehung wie auch den Verlauf von Krankheiten ist immer noch ein sozial- und gesundheitspolitisch unterschätztes und vernachlässigtes Thema. Dabei belegen viele wissenschaftliche Untersuchungen, wie ein niedriger sozioökonomischer Status mit einer höheren Morbidität und Mortalität korreliert. In Deutschland besteht so zwischen dem reichsten und dem ärmsten Viertel der Bevölkerung ein Unterschied in der Lebenserwartung von 11 Jahren bei Männern und von 8 Jahren bei Frauen. Darüber hinaus führt eine chronische Erkrankung auch in Deutschland zunehmend häufiger zu materieller Armut, die oft tabuisiert und schambesetzt ist. Wird doch in der gesellschaftspolitischen Diskussion Armut nicht selten als individuelles Versagen oder gar als persönliche Entscheidung diffamiert.
Die derzeitige Gesundheitsversorgung von zahlreichen sozioökonomisch benachteiligten Bevölkerungsgruppen ist absolut unzureichend, weil sie sowohl mit ihren präventiven Gesundheits-angeboten als auch mit therapeutischen Versorgungsangeboten die von Armut betroffenen Mitmenschen ungenügend erreicht. Dringend notwendig ist es somit, die strukturellen Ursachen im medizinischen Versorgungssystem, die sozial benachteiligte Menschen abschrecken oder ausgrenzen, besser zu identifizieren und zu beseitigen.
Geboten sind niedrigschwellige medizinische Versorgungsangebote „vor Ort“, nicht nur in sozialen Brennpunkten, sondern interdisziplinär integriert auch außerhalb in Kindergärten, Schulen, Arbeitsämtern und Drogenberatungsstellen. Die Akzeptanz und Wirksamkeit derartiger Angebote sind von einem Kontext von Respekt und Wertschätzung abhängig. Zu fordern ist dazu ein am Prinzip Gleichwürdigkeit orientierter gesellschaftlicher Armutsdiskurs, der Gesundheit als ein Menschenrecht anerkennt. Um die Gesundheit großer Bevölkerungsschichten zu fördern und zu verbessern, benötigen wir ökonomisch nicht mehr Wachstum, sondern mehr Gleichheit.

 

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Medizin und Gewissen

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